Adventskalender Tag 8
8 |
Ein Beitrag zum Dienstag, 8. Dezember 2020 von Pfrn. Elisabeth Gerber:
Die Botschaft
Das blaugestreifte Herrenhemd ist ein Geburtstagsgeschenk für ihren Mann. Als Claudia Klütsch aus Wessling bei Köln, Mutter von vier Kindern, die Verpackung aufreisst, fällt ihr ein kleiner, grauer Papierstreifen entgegen. Darauf die krakeligen englischen Worte des Nähers Gazi Shahariyar aus Bangladesch: „Brauche Geld zum Leben. Lege mein Schicksal in deine Hände.“
Martin Klütsch denkt an einen schlechten Scherz, doch seine Frau lässt die Botschaft nicht los. Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, um so etwas zu schreiben, fragt sie sich. Sie beginnt nachzuforschen. Wo liegt Bangladesch? Und wo die Hemdenfabrik? Dann ruft sie bei der lokalen Tageszeitung an, die verweist sie an ein Nachrichtenmagazin – dort gelingt es einem Reporter, Gazi ausfindig zu machen. Er ist tatsächlich ein armer Mann. Die Klütschs haben selbst nicht viel Geld. Aber sie wechseln 20 Euro in Dollar um und schicken sie nach Bangladesch. Gazi schickt Fotos zurück.
Acht Jahre ist das mittlerweile her. Der graue Papierstreifen liegt noch immer in der Vitrine im Wohnzimmer der Klütschs. Jeden Monat überweisen sie 70 Euro an Gazi. Mindestens zweimal in der Woche schicken sie sich kurze Nachrichten übers Handy. „Ich weiss immer, was in seiner Familie gerade los ist. Und er weiss es von uns“, sagt Claudia Klütsch. Gazi legt so viel wie möglich von ihrem Geld zurück. Ein Stück Land und Tiere hat er gekauft. Jetzt baut er ein Steinhaus. Sein erstes Kind, ein kleiner Junge, heisst Raquibil Islam Rifat. Aber gerufen wird er Martin.
Christiane Langrock-Kögel
Pfarrerin
Elisabeth Gerber
Eymattstrasse 2b
3027 Bern
Tel. 031 996 18 43
elisabeth.gerber@refbern.ch